Diskurs über Querulanzia und soziale Gerechtigkeit 01 00:00 06:27 Okay, lass uns mal direkt rein starten. Wir haben hier einen ganzen Stapel persönlicher Dokumente vor uns liegen. Das ist ja eine ziemliche Mischung, juristisches, persönliches, Projektideen. Genau, und alles von einer Person, die sich, ja, man kann schon sagen, durch das deutsche Sozial- und Rechtssystem kämpft. Das wird sehr deutlich. Absolut. Und unser Ziel ist ja jetzt, für dich mal rauszufiltern, was ist da der Kern, worum geht es da eigentlich im tiefsten Inneren? Ja, was sofort ins Auge sticht, ist dieser Kampf um Teilhabe, also darum, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und zwar möglichst ohne Sozialleistungen, also weg vom Bürgergeld. Und die Dokumente zeigen ja sehr klar dieses Gefühl von den Institutionen, Jobcenter, Sozialamt, Gerichte, eher behindert zu werden. Man fühlt sich nicht unterstützt. Und daraus ergibt sich dann ja auch eine ganz konkrete Forderung, die taucht immer wieder auf, dieses Recht auf Kapital, richtig, also Geld, um was Eigenes zu starten. Ganz genau, um eine Existenz zu gründen. Und das mündet dann schon in eine ziemlich grundsätzliche Systemkritik. Ja, das Wort strukturell bedingte, systemimmanente Diskriminierung ist mir auch aufgefallen. Klingt erst mal sehr technisch. Was meint er damit genau? Im Grunde, dass das System selbst durch seine, sagen wir mal, eingebauten Regeln und Abläufe diskriminiert. Gerade Leute im Bürgergeldsystem oder eben Menschen mit Besonderheiten, wie hier Autismus Asperger. Ah, okay. Und er zieht ja immer wieder die Verbindung zur UN-Behindertenrechtskonvention, zur UN-BRK, fordert zum Beispiel sowas wie eine multidisziplinäre Bewertung. Und da gibt es ja offenbar eine Spannung. Die UN-BRK sagt ja, die Barrieren sind außen, in der Gesellschaft, im System. Ja, das soziale Modell von Behinderung. Und er erlebt aber, dass er als Person quasi zum Problem erklärt wird, richtig? Genau das. Anstatt, dass man schaut, wo hakt es im System, wird seine Person, seine Art zu sein, pathologisiert. Das ist der Vorwurf. Krass. Und dieser, ja, dieser empfundene Widerspruch, der wird ja fast greifbar, wenn man sich dann die Projekte anschaut, die er so verfolgt. Das ist ja nicht nur Gerede, das sind ja Taten. Absolut. Das ist gelebter Widerstand gegen diese Abhängigkeit, könnte man sagen. Was da alles dabei ist, Patentanmeldungen. Ja, habe ich gesehen. Handgriff für Wirkstoff- und Materialabgabe und sogar was für Wüstensand. Und ein BU-Projekt, Betrachtungen aus dem Mülleimer der Nation heißt das, glaube ich. Konzepte für einen Dorfladen. Cool way. Sogar ein Hanf-basiertes Angebot, dieser Coffee-Shop-Antrag. Das zeigt ja einen enormen Willen, was auf die Beine zu stellen. Total. Und gleichzeitig liest man dann eben, wie schwer es ist, dafür Unterstützung zu kriegen. Abgelehnte Prozesskostenhilfe. Anträge für kleinste Förderungen, ich glaube, da ging es mal um 2000 Euro für ein Bürgerprojekt, werden abgelehnt. Das wirkt wie so ein Muster irgendwie. Ja genau, ein Muster. Und das setzt sich dann fort bei der Kritik am Rechtsweg selbst. Was immer wieder kommt, ist dieses Problem, es fehlen rechtsmittelfähige Bescheide. Also klare Entscheidungen von Behörden, gegen die man auch wirklich vorgehen kann? Genau. Und das führt dann oft erst dazu, dass man klagen muss. Und dann, dann dauern die Verfahren ewig. Was dann zu Untätigkeitsklagen führt, nehme ich an. Exakt. Und man liest auch dieses Gefühl raus, nicht wirklich gehört zu werden. Wenn dann so ein komplexer Fall, wo es um Teilhabe geht, reduziert wird auf 8 Umzugskartons Aktenmaterial. Da führt man sich übergangen. Verstehe. Was mir persönlich auch sofort aufgefallen ist, ist die Sprache. Die ist schon sehr eigen. Wortspiele, dann diese scharfen Analysen von Begriffen, Arbeitnehmer versus Arbeitgeber, wo er die Logik quasi umdreht. Oder diese Sache mit Technikfolgenabschätzung, die es gibt, aber keiner Technikfolgenprävention. Stimmt. Das wirkt total bewusst eingesetzt. Einerseits vielleicht als Ausdruck seiner Persönlichkeit. Er bringt das ja selbst mit Asperger in Verbindung. Andererseits aber auch, so scheint es als Protestform. Fast schon Satire, um diese, wie er es nennt, wahnhafte, also irrationale Seite des Systems zu spiegeln. So eine Art sprachlicher Widerstand. Spannend. Und er bleibt ja nicht nur bei seinem Fall. Er zieht ja Linien zu größeren Themen. Ja, das macht er. Er verknüpft seinen persönlichen Kampf mit Kritik an neoliberaler Ideologie, also dieser starken Betonung von Eigenverantwortung, während die Mittel fehlen. Er spricht auch Digitalisierung an, Klimawandel und stößt ja auch Debatten über grundsätzliche Änderungen an. Bis hin zur Frage nach einem bedingungslosen Grundeinkommen. Wobei wir hier natürlich ganz klar sagen müssen, wir geben hier seine Perspektiven aus den Quellen wieder. Wir machen uns die nicht zu eigen oder werten das. Absolut, das ist wichtig. Es geht darum, die Sichtweise aus den Dokumenten darzustellen. Und diese Verknüpfung vom Persönlichen mit dem Strukturellen, die ist halt zentral für sein Anliegen. Okay, also was nehmen wir jetzt mit aus diesem Material? Für mich ist es dieses Bild von einem Einzelnen, der wirklich um Grundlegendes ringt, um Würde, um Teilhabe, um Selbstbestimmung. Und das gegen ein System, das er als riesig, bürokratisch und oft ungerecht empfindet. Und er kämpft halt mit allem, was er hat. Juristisch, aber auch mit Projekten und dieser sehr eigenen Sprache. Genau. Und das wirft natürlich Fragen auf, die weit über diesen Fall hinausgehen, finde ich. Wie gut funktioniert unser Rechtsschutz wirklich? Gerade für Leute, die vielleicht anders sind, anders kommunizieren, als vulnerable gelten. Oder die UN-Behindertenrechtskonvention. Wie sehr wird die eigentlich in der Praxis gelebt? Dieser Anspruch auf Selbstbestimmung. Ja, und was passiert halt, wenn so ganz individuelle, komplexe Lebenslagen auf standardisierte Systeme treffen, die vielleicht auch manchmal einfach überfordert sind? Und vielleicht als abschließender Gedanke so für dich zum Mitnehmen. Wie können denn Systeme, die ja nun mal auf Regeln und Normen basieren, wie können die so gebaut sein, dass sie Menschen gerecht werden, deren Bedürfnisse oder Art zu kommunizieren vielleicht außerhalb dieser Normen liegen? Ohne dass genau diese Abweichung dann selbst zum Kern des Problems wird. Das ist doch die große Frage, oder?